Strategie Stromnetze
Status
Bislang bestehen auf Bundesebene keine rechtlichen Vorgaben für Netzumbau und -ausbau. Die Gesetzesvorlage "Strategie Stromnetze" beabsichtigt dies zu ändern, um die Investitionssicherheit zu erhöhen. Das Ergebnis der Vernehmlassung, welche am 16. März 2015 endete, fiel durchzogen aus. Die ElCom (als künftige Vollzugsbehörde) zweifelt an Notwendigkeit und Mehrwert und lehnt eine Schwächung der Eigenverantwortung der Netzbetreiber ab. Nichtsdestotrotz hat der Bundesrat die Botschaft zur Vorlage mit nur geringen Anpassungen am 13. April 2016 verabschiedet.
Die UREK-S ist am 24. Juni 2016 auf die Strategie zum Um- und Ausbau der Schweizer Stromnetze eingetreten und hat Anhörungen durchgeführt. Im Oktober 2016 hat sie die Detailberatung der Vorlage begonnen und dieser am 16. November 2016 zugestimmt. Der Ständerat hat die Vorlage gemäss den Anträgen seiner Kommission am 8. Dezember 2016 verabschiedet. Er hat zugleich beschlossen, Art. 6 Abs. 5 StromVG aufzuheben.
Am 28. März 2017 hat die UREK-N die Vorlage beraten und ist weitgehend dem Ständerat gefolgt. Die Strategie Stromnetze wurde von der UREK-N in der Gesamtabstimmung klar angenommen.
Am 25. April hat sich die UREK-N - an sich sachfremd - für rasche Massnahmen zur Stärkung der inländischen Wasserkraft ausgesprochen. Der Nationalrat hat diese Soforthilfen für die Wasserkraft vorerst abgelehnt und will erst die Konsequenzen solcher Hilfen klären. Die UREK-N nimmt diese Abklärungen nun an die Hand. Das BFE strebt an, die Diskussion um neue Strommarktmodelle im Rahmen der Revision StromVG (1. Paket) zu führen. Am 29. August 2017 hat die UREK-N beschlossen, betreffend allfällige Unterstützungsmassnahmen für die inländische Wasserkraft zuzuwarten und die entsprechende Vorlage im Rahmen der Strategie Stromnetze zu sistieren. Stattdessen soll die Diskussion um ein neues Marktdesign im Rahmen der Revision StromVG (1. Paket) geführt werden, wie dies auch das BFE anstrebt. Am 31. Oktober 2017 hat sich die UREK-N gegen Unterstützungsmassnahmen für die Wasserkraft ausgesprochen; ein unmittelbarer Handlungsbedarf bestehe nicht.
Am 18. August 2017 hat die UREK-S bei der Differenzbereinigung in vielen Punkten dem Nationalrat zugestimmt.
Der Ständerat hat am 13. September 2017 in der Differenzbereinigung an der Streichung von Art. 6 Abs. 5 StromVG (Aufhebung der Durchschnittspreismethode) festgehalten und sich gegen eine Liberalisierung des Messwesens ausgesprochen. Der Nationalrat hat sich hingegen am 25. September 2017 entschieden, die Differenz gegenüber dem Ständerat aufrecht zu erhalten, Art. 6 Abs. 5 StromVG einstweilen unverändert zu belassen und erst im Rahmen einer weiteren Vorlage über eventuellen Anpassungsbedarf zu beraten (wie dies der Bundesrat vorschlägt).
Am 9. November 2017 ist die UREK-S dem Nationalrat betreffend Durchschnittspreismethode in der dritten Runde der Differenzbereinigung entgegengekommen. Die UREK-S spricht sich in Differenz zum Nationalrat aber weiterhin gegen die Teilliberalisierung des Messwesens aus und will den Betroffenen beim Einsatz von intelligenten Steuer- und Regelsystemen aus vollzugstechnischen Gründen lediglich ein Widerspruchsrecht einräumen.
Am 13. Dezember 2017 haben National- und Ständerat beide dem Antrag der Einigungskonferenz zugestimmt und das neue Gesetz zum Um- und Ausbau der Stromnetze (Strategie Stromnetze) am 15. Dezember 2017 in der Schlussabstimmung angenommen. Dieses umfasst Teilrevisionen des Elektrizitätsgesetzes und des Stromversorgungsgesetzes.
Aufgrund der Gesetzesänderungen infolge der Strategie Stromnetze sollen diverse Verordnungen angepasst werden. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 8. Juni 2018 die Vernehmlassung zu den Verordnungsrevisionen eröffnet. Die Vernehmlassung dauert bis zum 1. Oktober 2018. Die Erlassänderungen treten voraussichtlich im zweiten Quartal 2019 in Kraft.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 03. April 2019 diverse Verordnungen zur Strategie Stromnetze verabschiedet. Das Änderungen in den Bundesgesetzen zur Strategie Stromnetze sowie die die Verordnungen treten per 01. Juni 2019 in Kraft. Einige Bestimmungen (Mehrkostenfaktor, Mehrjahrespläne) werden erst per Juni 2020 bzw. Juni 2021 in Kraft gesetzt.
Das UVEK plant eine Teilrevision der Leitungsverordnung und schickt die Entwürfe in die Vernehmlassung. Diese dauert bis am 11. Januar 2021 (Bericht & Vernehmlassungsvorlage).
Aktuelle Entwicklungen
Inhalte
Die Gesetzesvorlage soll verbindliche Vorgaben für Planung u. Prozesse der Netzentwicklung festlegen:
Vorgaben für die Bedarfsermittlung des Um- und Ausbaus des CH-Stromnetzes, namentlich Verabschiedung eines energiewirtschaftlichen Szenariorahmens durch das BFE und Ermittlung des Netzausbaubedarfs anhand von Mehrjahresplänen der Netzbetreiber (N1-N3); der Szenariorahmen soll gemäss UREK-S als Grundlage für die Netzplanung dienen; der Bundesrat soll ein behördenverbindliches Hauptszenario festlegen; nach dem Willen des Bundesrates soll der energiewirtschaftliche Szenariorahmen alle vier Jahre überprüft und nachgeführt werden
Verankerung des NOVA-Prinzips (Netz-Optimierung vor Netz-Verstärkung vor Netz-Ausbau);
Vorgaben zur räumlichen Koordination sowie Massnahmen zur Beschleunigung von Bewilligungsverfahren (Ordnungsfristen, verkürzte Rechtsmittelverfahren);
Entscheidungskriterien und Vorgaben betr. Übertragungstechnologie (Verkabelung od. Freileitung); die UREK-S hat sich deutlich für eine Verkabelung auf Verteilnetzebene (unter 220 kV) und einen Mehrkostenfaktor von maximal 3.0 ausgesprochen; die UREK-N folgt beim Mehrkostenfaktor für die Erdverkabelung dem Bundesrat (Faktor 3). Der Bundesrat will in der Leitungsverordnung den Mehrkostenfaktor für die Verkabelung von Verteilnetzen auf 1,75 festgelegen.
Öffentlichkeitsarbeit durch BFE und Kantone zur Erhöhung von Transparenz und Akzeptanz von Leitungsbauprojekten;
Bundesrat wird ermächtigt, Vorgaben zur Einführung intelligenter Messsysteme (Smart Meters) beim Endverbraucher zu machen. Der Ständerat befürwortet den Einbau intelligenter Steuer- und Regelsysteme; das Einverständnis des Netzanschlussnehmers soll vermutet werden. Die UREK-N schafft eine Differenz zum Ständerat, indem sie verlangt, dass die Verwendung intelligenter Steuer- und Regelsysteme bei Endverbrauchern deren Zustimmung bedarf. Die Installation von Mess- und Steuersystemen will die UREK-S - im Gegensatz zum Nationalrat - nur den Netzbetreibern vorbehalten. Die Kommission schlägt dazu eine ergänzte Definition des Elektrizitätsnetzes vor. Der Ständerat ist dieser Auffassung der UREK-S gefolgt und hat sich gegen eine Liberalisierung des Messwesens ausgesprochen.
Der Ständeratwill, dass Kosten für innovative Massnahmen, welche für die Netzentwicklung unabdingbar sind, sowie Kosten für Sensibilisierungsaktionen zur Senkung des Stromverbrauchs, an die Netzkosten anrechenbar sein sollen. Als innovative Massnahmen für intelligente Netze sollen laut Bundesrat die Nutzung neuartiger Methoden und Produkte aus Forschung und Entwicklung zählen, welche die Erhöhung der Sicherheit, Leistungsfähigkeit oder Effizienz der Netze bezwecken. Solche Massnahmen sollen angerechnet werden können, soweit sie nicht mehr als 0,5 % der anrechenbaren Kosten des Netzbetreibers pro Jahr betragen, insgesamt jährlich maximal 500'000 Schweizer Franken
Netzbetreiber sollen laut Ständerat verpflichtet werden, dem BFE sämtliche Geodaten zu ihren elektrischen Anlagen zu liefern.
Der Bundesrat will in der StromVV festlegen, dass alle Speicher, mit Ausnahme von Pumpspeicherkraftwerken, beim Elektrizitätsbezug aus dem Netz als Endverbraucher gelten
Im Rahmen der parlamentarischen Beratung zur Strategie Stromnetze hat der Ständerat - an sich sachfremd - auch entschieden, Art. 6 Abs. 5 StromVG aufzuheben. Nach dem Willen des Ständerates sollen die Elektrizitätsversorger die Kosten der Eigenproduktion vollständig ihren gebundenen Kunden anlasten können, ohne dabei die Preisvorteile, die sie aufgrund des freien Marktzugangs haben, berücksichtigen zu müssen. Damit würde das Bundesgerichtsurteil vom 20. Juli 2016 (2C_681/2015) betreffend die Berechnung der anrechenbaren Energiekosten nach der Durchschnittspreismethode hinfällig. Die UREK-S hat sich am 5. September 2017 für die Aufhebung der Durchschnittspreismethode ausgesprochen. Der Ständerat ist der UREK-S gefolgt und hält an der Streichung von Art. 6 Abs. 5 StromVG fest.
Anlässlich der Anhörungen zur Streichung von Art. 6 Abs. 5 StromVG hat die UREK-N beschlossen, dass feste Endverbraucher zukünftig ausschliesslich Elektrizität aus erneuerbaren Energien von inländischen Kraftwerken geliefert erhalten sollen. Der Nationalrat hat diese Soforthilfen für die Wasserkraft nun vorerst abgelehnt und will erst die Konsequenzen solcher Hilfen klären. Mit Entscheid vom 25. September 2017 behält der Nationalrat die Differenz zum Ständerat bei und will erst im Rahmen einer weiteren Vorlage über allfälligen Anpassungsbedarf von Art. 6 Abs. 5 StromVG diskutieren.
Mit Zustimmung zum Antrag der Einigungskonferenz haben die Räte - an sich sachfremd - einer bis Ende 2022 befristeten Unterstützung der Wasserkraft zugestimmt. Damit sollen Energieversorgungsunternehmen Preisvorteile nicht an die festen Endverbraucher weitergeben müssen, wenn sie diese mit Strom aus erneuerbaren Energien aus Anlagen im Inland beliefern.
Auf eine gesetzliche Zurechnung des Messwesens zum Netzbetrieb haben die Räte verzichtet. Damit hat die vom Bundesgericht angestossene Teilliberalisierung des Messwesens Bestand. Intelligente Steuer- und Regelsysteme dürfen schliesslich von den Netzbetreibern nur mit aktiver Zustimmung der Konsumenten installiert werden.
Gegenüber den Vernehmlassungsentwürfen hat der Bundesrat in den Verordnungen zur Strategie Stromnetze folgende relevante Anpassungen vorgenommen:
Der Mehrkostenfaktor wird anstatt auf 1.75 auf 2.0 festgelegt.
Intelligente Messsysteme, deren Beschaffung vor dem 1. Januar 2019 initiiert wurde, dürfen aufgrund des Vertrauens- und Investitionsschutzes weiterhin eingesetzt werden.
Mangels Praktikabilität müssen Netzbetreiber Dritten keinen diskriminierungsfreien Zugang zu ihren intelligenten Steuer- und Regelsystemen gewähren.
Die Ermittlung der Gestehungskosten für inländisch produzierten Strom aus Klein- und Kleinstanlagen wurde vereinfacht (Sonderregel zu Art. 6 Abs. 5bis StromVG).
Auf eine Definition von Speichern als “Endverbraucher” wird verzichtet. Die Frage wird im Rahmen der Revision StromVG erneut geprüft.
Die Leitungsverordnung wird teilrevidiert (Bericht & Vernehmlassungsvorlage). Artikel 15c Abs. 3 EleG ermächtigt den Bundesrat vorzusehen, dass trotz Überschreitung des Mehrkostenfaktors eine teilweise oder vollständige Erdverkabelung vorgenommen werden kann, wenn ein Dritter die den Mehrkostenfaktor überschreitenden Kosten trägt. Der Bundesrat machte von dieser Ermächtigung mit dem Erlass des neuen Artikel 11e in der Leitungsverordnung Gebrauch. Artikel 15c Absatz 3 Buchstabe a EleG ist der Umkehrschluss zu entnehmen, dass ein Vorhaben grundsätzlich als Freileitung ausgeführt werden muss, wenn der Mehrkostenfaktor überschritten ist. Dieser Umkehrschluss soll mit einer Anpassung von Artikel 11b Absatz 1 LeV transparenter gemacht werden. Weiter wird in Artikel 11e LeV klargestellt, dass der in Artikel 15c Absatz 3 Buchstabe a EleG vorgesehene Nachweis, wonach «ein Dritter die den Mehrkostenfaktor überschreitenden Kosten trägt», im Plangenehmigungsverfahren erbracht werden muss, wenn ausnahmsweise eine Kabelleitung gebaut werden soll, obwohl der Mehrkostenfaktor überschritten ist.
Relevanz für Unternehmen der Energiewirtschaft
Swissgrid (Netzebene 1) soll gestützt auf den Szenariorahmen des BFE neu einen Mehrjahresplan (Zeithorizont: 10 Jahre) erarbeiten und diesen der ElCom zur Prüfung vorlegen. Die bundesrätliche Botschaft ist nicht klar in Bezug auf die Frage, ob das schriftliche Ergebnis der ElCom-Bedarfsprüfung hoheitlicher oder bloss konsultativer Natur ist. Im ersten Fall hätte dies eine Kompetenzverschiebung zur Folge. Anstelle der Elektrizitätswirtschaft würde neu die ElCom verantwortlich für die Bedarfsermittlung auf N1. Zu hoffen ist auf eine parlamentarische Klärung dieser Frage, um Rechtsunsicherheiten in allfälligen künftigen Verfahren zu vermeiden. Im Ständerat als Erstrat ist diese Klärung bislang ausgeblieben.
Wird der Szenariorahmen behördenverbindlich, verschiebt sich ein Teil der Planungskompetenzen gegenüber heute von der Elektriztitätswirtschaft zum Bund (Erarbeitung Szenariorahmen durch BFE, Genehmigung durch Bundesrat).
Stromleitungen auf den Netzebenen 3-7 sollen neu grundsätzlich als Erdkabel ausgeführt werden (Neu- und Ausbauten), wenn der Mehrkostenfaktor unter 3 liegt. Zusätzlich sollen Ausnahmen möglich sein, wenn öffentliche Interessen dies erfordern.
Die Festlegung, dass alle Speicher beim Elektrizitätsbezug aus dem Netz als Endverbraucher gelten sollen, verschlechtert die Wirtschaftlichkeit von Speichern erheblich und verletzt das Gebot der Technologieneutralität
Weiterführende Informationen / Publikationen
Hettich, Peter/Walther, Simone/Wohlgemuth, David et.al., Strommarkt 2023, Zürich/St.Gallen 2017
Kritisch zur Ermittlung des Netzbedarfs durch Bundesbehörden: Walther Simone, Kooperative Steuerungsinstrumente im schweizerischen Stromversorgungsrecht (2014, S. 174 ff., 218 ff.)
<SW/31. März 2019>